Samstag, 24. Februar 2007

Von Imageaufwertungen und Märchenstunden

Die erste Mottoshow von DSDS hat durchaus neue Ansichten gebracht, über Kandidaten wie auch über die Jury. Doch der Reihe nach:

1. Martin Stosch mit "Tears in heaven" von Eric Clapton. Seine Leistung wurde diesmal von der Jury nicht beanstandet, aber trotzdem konnte er nicht wirklich als der große Überzeugende dastehen, man bemängelte stattdessen eine zu geringe Weiterentwicklung: Den Song sang er nun schon zum dritten Mal in DSDS, optisch gäbe es auch nichts Neues. (Video)

2. Julia Falke mit "What's up" von 4 Non Blondes. Leider war sie anscheinend ungemein aufgeregt, was man z. B. daran sehen konnte, dass sie das Mikrofon immer schief hielt. Dementsprechend hatte sie nicht genug Luft, traf Töne nicht, war im Ausdruck auch sehr unsicher und über weite Strecken nicht überzeugend. Und was meinte Heinz Henn? Alles wunderbar. Auch Anja Lukaseder lobte sogar die "Sauberkeit" ihres Gesangs. Nur Bohlen nannte die im Gegensatz zur letzten Top-20-Show tatsächlich unüberhörbaren Mängel, und wieder mit gnadenlos harten Bemerkungen: "Für die Karaoke-Bar reicht das." Ob Julia im Vorhinein schon vor Dieter Angst hatte? Auf jeden Fall meinte sie dann zu Moderator Marco Schreyl: "Ich habe es gewusst, dass von ihm nichts Gutes kommen wird." Ob Bohlens Härte mit der Grund für ihre Angst und Unsicherheit war? Ob das blumige Wort Heinz Henns von Vornherein als Gegenpol zu Dieters erwartbare Niedermache gedacht war, um die ihm sympathische Sängerin vor dem Urteil des sicherlich nicht in jedem Fall wirklich kompetenten Telefonpublikums zu schützen? Oder ob es tatsächlich ein Zeugnis davon ist, dass Henn selbst nicht genug kompetent ist, so wie es Bohlen ihm immer vorwirft und was auch stets zu einem spannungsgeladenen Juryklima beiträgt? (Video)

3. Thomas Enns mit "Iris" von Goo Goo Dolls. Wieder keine Beanstandung der Leistung, sondern der Songauswahl. Thomas habe noch nicht seinen Stil gefunden. (Video)

4. Max Buskohl mit "Fly away" von Lenny Kravitz. Überzeugende Leistung in seinem speziellen Stil. (Video)

5. Laura Martin mit "Don't wanna lose you" von Gloria Estefan. Da neuerdings Arcangelo Vigneri durch Bohlens Tipp, seine Herkunft auszunutzen und italienisch zu singen, eine überzeugende Leistung darbringen konnte und DSDS-3-Kandidat Nevio ja auch mit Italo-Pop erfolgreich ist, setzte Laura nun auch auf ihre spanische Ader mütterlicherseits, derer man sich vorher kaum bewusst waren. Henn und Lukaseder konnte sie erwartungsgemäß überzeugen, Bohlen auch diesmal nicht. Er zweifelte, dass "jemand ihre CD kaufen würde", obschon er seine Kritik als rein aufs Musikalische und nicht auf das Persönliche bezogen sehen wollte. (Video)

6. Lauren Talbot mit "I'm like a bird" von Nelly Furtado. Erwartungsgemäß charmant und herzerwärmend vorgetragen, Bohlen hob jedoch im Gegensatz zu den einstimmig lobenden Worten seiner Mitjuroren, die er als "Märchenstunde" bezeichnete, die seiner Meinung nach zahlreichen nicht getroffenen Töne hervor. Dabei wies der Auftritt in Sachen Tonsicherheit gar nicht unbedingt mehr Ungenauigkeit auf als der Gesang von manch etabliertem Künstler, und wurde genau wie bei solchen durch die große Emotion zur Erträglichkeit kompensiert. Auch Bohlen sah in dem Mangel dann doch keinen Grund für eine schlechte Beurteilung insgesamt, Emotion und Persönlichkeit hatten genügend Ausschlag. (Video)

7. Jonathan Enns mit "Angels" von Robbie Williams. Mit viel emotionalem und charmantem Engagement in Richtung der Fans gesungen, technisch jedoch nicht einwandfrei, jedoch eindeutig besser als sein vormaliger Auftritt. Lukaseder entschuldigte sich sogar für das "Abstempeln als Abschusskandidaten" bei der Top-20-Show. Er selbst wiederum zeigte die Einsicht, dass seine Weiterwahl damals durchaus ungerecht war, was aber seiner Selbstsicherheit, gestützt durch ebenjene von ihm heftig angeflirtete Fanbasis, keinen Abbruch tat. (Video)

8. Francisca Urio mit "Lady Marmalade" von Christina Aguilera. Diesmal kam sie nicht minder perfekt und auch nicht minder perfektionistisch rüber, konnte aber ihr Image als mögliche "perfekte, aber langweilige Schnulzensängerin" abwerfen. Mit schillernder Stimme und vor allem gekonnter, dem Song gemäß "heißer" Performance u. a. mit dem Mikrofonständer wurde sie von der Jury zum "Maßstab der Show" erklärt. (Video)

9. Mark Medlock mit "Hello" von Lionel Richie. Dieser Auftritt war nicht "erwartungsgemäß" toll. Denn hier zeigte Mark Medlock eine doch etwas andere Seite als bisher, er konnte zu seinem Ruf als "ausgeflipptes Talent" eine willkommene Spur an Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit hinzugewinnen. Im Vorspann nämlich erzählte er von seiner Familie und insbesondere von seiner tragisch an Krebs verstorbenen Mutter, seinem Kampf vor und nach ihrem Tod. Und daraufhin sang er "Hello", das das Wiedersehen mit einer verstorbenen Person beschreibt. Dabei war seine Stimme immer gehalten, manchmal fast weinend, er drehte nicht wie sonst irgendwann auf und schob die dicken, fetten Töne heraus. Es lief einem der Schauder über den Rücken, denn er zeigte da wirklich, dass er nicht bloß virtuos war, sondern ehrlich fühlend. Übrigens hat Mark einen Zwillingsbruder, der auch im Publikum saß.









Quelle: Clipfish.de

10. Lisa Bund mit "Because of you" von Kelly Clarkson. Lisa hat wirklich Technik. Als sie am Ansatz des ersten langen Tons wegen zu viel Druck fast drohte, zu tief zu sein, öffnete sie ihre Stimme, und der Ton kam glasklar-sauber heraus. Dann aber nahm sie sich für einen lauten Part zu viel vor und schrie ihn am Ende nur noch heraus. Kurz nachdem der Song zu Ende war, musste sie deshalb heftigst husten, also nicht etwa wegen ihrer Erkältung. Insgesamt klang die Interpretation ausdrucksgeladen, manchmal allerdings nicht absolut optimal, vielleicht sogar zu sehr interpretierend, "zeigen wollend" anstatt wirklich fühlend. Nicht ohne Grund fand Bohlen, trotz einstimmiger Begeisterung der gesamten Jury, dass ihm "Hurt" besser gefallen hatte. Kurzum: Großes Können, aber auch ein wenig ungute Tendenzen. (Video)

Am Ende flog Laura Martin aus der Show, obwohl eigentlich Julia Falke, die am Schluss als letzte engumschlungen mit ihr auf der Bühne harrte, die weniger überzeugende Leistung gebracht hatte. Der Notar meinte übrigens, dass das Ergebnis "eindeutig" war. Es war aber vor allem das von Bohlen in der Bild vorhergesagte Ergebnis. Hat Bohlen wirklich eine so treffende Weitsicht und Urteilskraft? Hatte die charakterlich reife junge Frau und Mutter womöglich nun einmal keine große Fanbasis bei den telefonierwilligen Teenies? Oder hat Bohlens Urteil selbst die Zuschauer vorbeeinflusst? Fragen, die wohl nie geklärt werden können, über die es sich aber lohnt, nachzudenken.

Video: Einschätzung der Jury
Video: Die Entscheidung (Teil 1/Teil 2)

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